Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsanspruch nebst Auskunft und Wertermittlung
1. Pflichtteilsanspruch
Durch ein Testament kann der Erblasser Einfluss auf die Erbfolge nehmen und im Detail bestimmen, was nach seinem Ableben mit seinem Vermögen geschehen soll. Der Erblasser ist dabei in seiner Entscheidung völlig frei, kann aber bestimmte Erben nicht gänzlich vom Erbe ausschließen. Pflichtteilsberechtigt sind nur Abkömmlinge (Kinder, Enkel, Urenkel) des Erblassers, sein Ehegatte und – bei kinderlosem Erblasser – seine Eltern. Entferntere Abkömmlinge (z.B. Enkel des Erblassers) werden durch – lebende – Abkömmlinge (z.B. Kinder des Erblassers) von der Pflichtteilsberechtigung ausgeschlossen. Vom Pflichtteilsanspruch nicht erfasst sind die sonstigen Verwandten oder ein nichtehelicher Lebensgefährte.
So besteht für Pflichtteilsberechtigte ein Anspruch auf den sogenannten Pflichtteil, selbst wenn der Erblasser diese Erben ausdrücklich in seinem Testament von der Erbfolge ausschließt, die über den Pflichtteil hinausgeht. Der Höhe des Pflichtteilsanspruchs entspricht der Höhe des Wertes der Hälfte des gesetzlichen Erbteils und ist somit abhängig von dem ehelichen Güterstand und von der Anzahl der Kinder des Erblassers. Für die konkrete Berechnung des Pflichtteils muss der Bestand und der Wert des Nachlasses zur Zeit des Erbfalls ermittelt werden. Dieser setzt sich aus den Aktivaund Passiva zusammen. Zudem muss der sogenannte fiktive Nachlass (also Schenkungen des Erblassers) ermittelt werden. Gerne helfen wir Ihnen im Rahmen der Erstberatung mit der konkreten Berechnung. Dieser Zahlungsanspruch wird mit dem Erbfall sofort fällig. Dies kann für die Erben unbillige Härte sein und sie unter Umständen dazu zwingen, Sachwerte zu verkaufen. In solchen Fällen besteht die Möglichkeit, den Pflichtteilsanspruch zu stunden.
Der Pflichtteilsanspruch verjährt nach drei Jahren. Die Verjährung beginnt mit dem Ende desjenigen Jahres, in dem der Pflichtteilsberechtigte vom Erbfall und seiner Enterbung erfahren hat. Zur Hemmung der Verjährungsfrist muss der Pflichtteilsberechtigte entweder ein Anerkenntnis vom Erben erlangen oder den Anspruch klageweise per Gericht geltendmachen. Korrespondenz der Parteien untereinander führen nicht zur Hemmung der Verjährung.
Hat der Pflichtteilsberechtigte Zuwendungen zu Lebzeiten des Erblassers erhalten, sind diese nur dann auf seinen ordentlichen Pflichtteil anrechbar, wenn der Erblasser vor oder spätestens bei der Zuwendung eine Anrechnungsbestimmung getroffen hatte.
2. Auskunftsanspruch des Pflichteilsberechtgten und Wertermittlung
Wer pflichtteilsberechtigt ist, ist regelmäßig nicht im Besitz des Nachlasses und hat daher keine Möglichkeit, dessen Umfang und Wert zu ermitteln.
a. Auskunft
Grundsätzlich ist der Erbe, also der Allein- und der Miterbe auskunftspflichtig. Miterben müssen die Auskunft als Gesamtschuldner erteilen. Die Information kann auch vom einzelnen Miterben verlangt werden. Der Erbe muss auf Verlangen des Pflichtteilsberechtigten sowohl eigenes Wissen über sämtliche positiven wie negativen Vermögenswerte des Nachlasses offenbaren. Zudem ist er verpflichtet, dem Pflichtteilsberechtigten fremdes Wissenzugänglich zu machen. Hat der Erbe beispielsweise selber kein Wissen über den Bestand an Sparkonten, Wertpapieren oder Aktien, die sich im Nachlass befinden, so hat er seinen gegenüber der betreffenden Bank bestehenden Auskunftsanspruch geltend zu machen, um seiner eigenen Auskunftspflicht gegenüber dem Pflichtteilsberechtigten nachzukommen. Der Erbe muss deshalb auf Verlangen des Pflichtteilsberechtigten ein Verzeichnis der Nachlassgegenstände und Nachlassverbindlichkeiten sowie über ausgleichspflichtige Zuwendungen und Schenkungen des Erblassers erstellen. Der Pflichtteilsberechtigte kann verlangen, dass er an der Aufstellung des Verzeichnisses beteiligt wird, damit er sich selbst davon überzeugen kann, was alles vorhanden ist. Eine andere Möglichkeit besteht darin, dass ein Notar mit der Erstellung des Verzeichnisses beauftragt wird.
b. Wertermittlung
Der Pflichtteilsberechtigte kann vom Erben verlangen, dass dieser den Wert der Nachlassgegenstände ermittelt. Macht der Pflichtteilsberechtigte den Wertermittlungsanspruch geltend, ist der Erbe verpflichtet, auf Kosten des Nachlasses den Wert zu ermitteln. In der Praxis wird ein Gutachter mit der Wertermittlung beauftragt. Die Auswahl des Sachverständigen steht dem Erben zu.
3. Pflichtteilsergänzungsanspruch
Der Pflichtteilsergänzungsanspruch wird dann relevant, wenn der Erblasser sein Vermögen vor seinem Tode an Dritteverschenkt oder übertragen hat und die Pflichtteilsberechtigten sich wider deren Erwarten mit einem überschaubaren Nachlassvermögen konfrontiert sehen. Jeder der pflichtteilsberechtigt ist, ist auch pflichtteilsergänzungsberechtigt.
Unter den Pflichtteilsergänzungsanspruch fallen sämtliche freigebige Zuwendungen des Erblassers durch die eine dritte Person bereichert wird, z.B. durch Schenkung oder wenn im Vergleich zur Zuwendung nur geringere Gegenleistungerbracht worden ist. Dies können z.B. Wertpapiere, Geldgeschenke, wertvolle Gegenständen, Immobilien, Grundstücksschenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt bzw. Vorbehalt eines Wohnungsrechts bzw. gegen eine Pflegeverpflichtung sein.
Bei verbrauchbaren Sachen wie z.B. Bargeld, wird der Wert zum Zeitpunkt der Schenkung in Ansatz gebracht und durch Indexierung entsprechend dem Verbraucherpreisindex angepasst. Bei nicht verbrauchbaren Sachen, wie bei Immobilien, wird auf den Verkehrswert zum Zeitpunkt des Erbfalles abgestellt. War der Wert des Grundstückes jedoch bei der Schenkung niedriger, so gilt dieser Wert. Die Lebensversicherungssumme kann bei der Berechnung des Pflichtteilsanspruchs nur berücksichtigt werden, wenn sie Bestandteil des Nachlasses ist.
Nach dem Gesetz wird eine Schenkung nur im ersten Jahr vor dem Erbfall zu 100% berücksichtigt. Für jedes weitere Jahr vor dem Erbfall wird der Wertansatz um 10% reduziert. Sind beim Erbfall schon 10 oder noch mehr Jahre seit der Schenkung vergangen, so bleibt die Schenkung unberücksichtigt. Dann scheidet der Pflichtteilsergänzungsanspruch aus. Schenkungen innerhalb der Zehnjahresfrist werden berücksichtigt. Nach dem Abschmelzungsmodell werden, je nachdem wie viele volle Jahre von der Schenkung bis zum Erbfall vergangen sind, ein auf 10 Jahre hochgerechneter Wertanteil der Schenkung bei der Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs berücksichtigt.
Hat z.B. der im Januar 2017 verstorbene Erblasser im März 2015 insgesamt 10.000 Euro verschenkt, so wird die für die Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruch maßgebliche Schenkung wegen der zwischenzeitlich 2 vollständig abgelaufenen Jahren um 2/10 abgeschmolzen. Die Schenkung wird dadurch nur noch mit 8.000 € (8/10) berücksichtigt und indexiert.
Zu beachten ist der Beginn der Zehnjahresfrist. Bei Eheleuten ist für den Beginn der Zehnjahresfrist nicht der Zeitpunkt der Schenkung, sondern der Zeitpunkt der Scheidung maßgebend. Waren der oder die Beschenkte zum Zeitpunkt des Todes noch mit dem Erblasser verheiratet bzw. verpartnert, so hat die Zehnjahresfrist daher noch gar nicht begonnen. Gleiches gilt für die Zehnjahresfrist bei einer Schenkung eines Grundstücks unter Nießbrauchsvorbehalt. Die Frist beginnt in der Regel erst dann zu laufen, wenn der Nießbrauch wegfällt, also erst mit dem Tod des Nießbrauchsberechtigten.
Für die Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruch ist der Nachlass ohne Berücksichtigung von Schenkungen zu bestimmen und hieraus der ordentliche Pflichtteil entsprechend der Quote zu berechnen. Im Anschluss werden alle Schenkungen zugerechnet und so der fiktive Nachlass gebildet. Daraus wird der Gesamtpflichtteil aus der Quote berechnet und der ordentliche Pflichtteil vom Gesamtpflichtteil abgezogen. Das Ergebnis ist der Wert des Pflichteilsergänzungsanspruchs.
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